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Dienstliche SMS in der Freizeit

21. Februar 2023

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Dienstliche SMS in der Freizeit

Müssen dienstliche SMS in der Freizeit gelesen werden?

So mancher Arbeitnehmer dürfte es kennen: Man entspannt sich nach einem langen Arbeitstag auf dem Sofa oder unternimmt wochenends einen Ausflug, schaut aufs Handy und sieht eine E-Mail, SMS oder WhatsApp-Nachricht des Vorgesetzten. Während die einen diese pflichtbewusst schnellstmöglich beantworten, entschließen sich andere dazu, dass arbeitsbezogene Nachrichten bis zum Beginn des nächsten Arbeitstages warten können. Doch wie sieht das rein rechtlich aus? Sind Arbeitnehmer dazu verpflichtet, Mitteilungen, die sich auf die Arbeit beziehen, in ihrer Freizeit zu lesen und zu beantworten? Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein schafft klare Verhältnisse.

Aktueller Fall: Abmahnung, weil Mitteilungen nicht gelesen wurden

Die Sachlage gestaltete sich folgendermaßen: Ein Notfallsanitäter wurde außerhalb seiner Arbeitszeiten von seinem Vorgesetzten angerufen. Grund für den Anruf war eine kurzfristige Änderung des Dienstplans. Da der Sanitäter telefonisch nicht zu erreichen war, schickte der Arbeitgeber die Info zur Dienstplanänderung per E-Mail und SMS an den Angestellten. Beide Nachrichten wurden vom Notfallsanitäter nicht gelesen. In der Folge tauchte dieser erst zu seinem ursprünglich vereinbarten nächsten Dienst auf, ohne die Dienstplanänderung zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber sah darin den Bestand eines unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeitsstelle und sprach eine Ermahnung aus. Auf einen ähnlichen, zweiten Vorfall dieser Art hin, wurde dem Arbeitnehmer eine Abmahnung erteilt. Der Notfallsanitäter konnte Er- und Abmahnung nicht nachvollziehen und entschied sich, die Angelegenheit vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen.

Urteil: LAG Schleswig-Holstein spricht sich für den Arbeitnehmer aus

In erster Instanz wurde dem Arbeitgeber Recht zugesprochen. Danach landete der Fall zur Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein. Dieses schlug sich in seinem Urteil vom 27.09.2022 auf die Seite des Arbeitnehmers. Das Lesen von arbeitsbezogenen Nachrichten – seien es nun SMS oder E-Mails – gehöre zwar ganz klar zur Arbeitsleistung, dazu, diese zu erbringen, sei der Arbeitnehmer jedoch lediglich während seiner Dienstzeit verpflichtet. Wer als Arbeitgeber Mittelungen außerhalb der Arbeitszeit des Angestellten verschickt, müsse, so das Gericht, davon ausgehen, dass diese Mittelungen nicht vor Beginn des nächsten Dienstes seitens des Arbeitnehmers gelesen und beantwortet werden. Sofern also keine Rufbereitschaft im Zeitraum des Nachrichteneingangs abgesprochen wurde, besteht für Arbeitnehmer keine Pflicht, in ihrer Freizeit auf dienstliche Nachrichten zu reagieren. Ein Ausnahmefall könnte vorliegen, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zuvor auf eine Erreichbarkeit des Arbeitnehmers während des fraglichen Zeitraums in seiner Freizeit geeinigt hätten. Dann wäre im Einzelfall zu prüfen, inwiefern diese Absprache von rechtsbindendem Charakter wäre.

Fazit: Nichterreichbarkeit in der Freizeit als Teil des Persönlichkeitsrechts

Im Fall des Sanitäters, der aufgrund des Nicht-Lesens einer dienstlichen Nachricht in seiner Freizeit abgemahnt wurde, kommt das LAG Schleswig-Holstein zu einem eindeutigen Urteil, das zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt. Zur Begründung des Gerichts gehört auch die Tatsache, dass die Freizeit als Bestandteil des Gesundheitsschutzes von Mitarbeitern anzusehen ist. Da es Arbeitnehmern frei steht, wie sie ihre freie Zeit gestalten, haben sie auch jedes Recht, sich zu entscheiden, außerhalb des Dienstes nicht erreichbar zu sein. Dies fällt laut Gericht unter das Persönlichkeitsrecht, das selbstverständlich für jeden Arbeitnehmer gilt.

Sollten Sie sich in der Schilderung dieses Falls wiedererkannt haben und sich in einer Lage befinden, in der sie befürchten, rechtswidrig ermahnt, abgemahnt oder gar gekündigt worden zu sein, möchten wir Ihnen gerne unsere Dienste anbieten. Setzen Sie sich mit uns in Verbindung – unsere Fachanwälte von KGH für Arbeitsrecht stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite!

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Oliver Stigler

Fachanwalt für Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz, ist ein Anwalt bei KGH in Nürnberg. Auf dem Blog von kgh.de teilt er sein umfangreiches Fachwissen und bietet wertvolle Einblicke in rechtliche Themen. Vertrauen Sie auf seine Expertise und lassen Sie sich von seinen Beiträgen inspirieren.

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