Kündigung und Freistellung
Kündigung und Freistellung: Wann Ihnen weiterhin Lohn zusteht
Auf eine ordentliche Kündigung folgt nicht selten eine Freistellung. Will heißen: Der Arbeitnehmer wird für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt, erhält jedoch weiterhin Lohn. Ob Arbeitgeber im Gegenzug fordern können, dass sich der freigestellte Arbeitnehmer während der Frist um eine neue Anstellung bemüht, und wie das Bundesarbeitsgericht Rechte und Pflichten von Angestellten diesbezüglich definiert, erläutern wir in diesem Beitrag.
Wesentliche Fakten: Zusammenfassung
Im Folgenden beschäftigen wir uns intensiver mit diesen Punkten:
- Nach § 615 BGB begeben sich Arbeitnehmer in Annahmeverzug, wenn sie ordentlich gekündigte Angestellte für die Dauer der Kündigungsfrist freistellen. Sie sind demnach dazu verpflichtet, den Gekündigten für diesen Zeitraum Lohn (Annahmeverzugslohn) zu bezahlen.
- Begibt sich der Gekündigte während der laufenden Kündigungsfrist in ein neues Anstellungsverhältnis, wird sein dort erzielter Erwerb auf den Annahmeverzugslohn angerechnet. Unterlässt er „böswillig“ die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, kann der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 2 BGB einen fiktiven Lohn anrechnen.
- Ein BAG-Urteil aus dem Februar 2025 unterstreicht, dass es sich bei § 615 Satz 2 BGB um eine Ausnahmeregelung handelt, für deren Anwendung klare Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Eine grundsätzliche Pflicht für Arbeitnehmer, während laufender Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle anzutreten, gibt es schließlich nicht.
Freistellung und Annahmeverzug: Rechtliche Unklarheiten im Fokus
Im Zentrum der Thematik steht eine rechtliche Unklarheit, die vor Gerichten seit geraumer Zeit diskutiert wird. Es geht um den sogenannten Annahmeverzug und darum, wann dieser (anteilig) entfällt. Der Annahmeverzug verpflichtet den Arbeitgeber nach § 615 BGB dazu, seinen gekündigten Angestellten in Freistellung voll zu entlohnen. Der Arbeitnehmer bekommt also sein Gehalt, obwohl er keine Arbeitsleistung mehr erbringt.
Tritt der Gekündigte nun während der Freistellung eine neue Arbeitsstelle an, beeinflusst dies unter Umständen den Annahmeverzugslohn. Das Gehalt, das der neue Job einbringt, kann auf den Annahmeverzugslohn anzurechnen sein, sodass dieser geringer ausfällt. Eine mögliche Konsequenz, die dem Arbeitgeber Kosten erspart, weshalb dieser natürlich durchaus ein Interesse daran hat, dass sich sein freigestellter Arbeitnehmer möglichst noch während der Freistellung wieder in Arbeit begibt.
Unklarheiten bestehen vor diesem Hintergrund im Hinblick auf den Fall, dass ein freigestellter Gekündigter berufliche Angebote ausschlägt. § 615 Satz 2 BGB sieht ein Anrechnen eines fiktiven Gehalts vor, wenn Annahmeverzugslohnempfänger die Aufnahme einer neuen Beschäftigung „böswillig“ unterlassen. Wie genau die Böswilligkeit hier auszulegen ist, war lange Zeit gerichtlich schwer präzise einzuordnen.
Aktueller Fall: „Böswilliges“ Unterlassen der Erwerbstätigkeit bei Freistellung
Anlässlich eines aktuellen Falls, zu dem das Bundesarbeitsgericht im Februar 2025 ein Urteil fällte, fand eine ausführliche gerichtliche Auseinandersetzung mit den geschilderten BGB-Regelungen und deren praktischer Umsetzung statt. Die Sachlage: Ein langjähriger Angestellter wurde ordentlich gekündigt und erhielt für die Dauer der dreimonatigen Frist eine Freistellung. Dadurch griff der Annahmeverzug und der Arbeitgeber war per Gesetz dazu verpflichtet, die drei Monatsgehälter an den Arbeitnehmer in Freistellung auszuzahlen.
Innerhalb der folgenden Wochen ließ der Arbeitgeber seinem gekündigten Angestellten 43 Stellenausschreibungen zukommen und bat ihn darum, Bewerbungen einzureichen. Dieser Aufforderung kam der Arbeitnehmer erst zum Ende der Kündigungsfrist hin nach, worin der Arbeitgeber eine „böswillige“ Unterlassung sah. In der Folge weigerte er sich, das letzte noch ausstehende Monatsgehalt auszuzahlen.
Urteil: Arbeitnehmer trifft keine Pflicht zur Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit
Im Urteil aus dem Februar 2025 stellte sich das BAG hinter den Arbeitnehmer und betonte die Pflicht des Arbeitgebers, diesem während der Freistellung sein volles Gehalt zu bezahlen. Eine „böswillige“ Unterlassung der Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit sah das Gericht nicht erfüllt. Die hierzu in § 615 Satz 2 BGB formulierte Ausnahmeregelung sehe ein ausdrücklich erkennbares Handeln gegen Treu und Glauben seitens des Arbeitnehmers vor, was im vorliegenden Fall nicht gegeben war.
Das Gericht argumentierte außerdem damit, dass es keine grundsätzliche Pflicht für einseitig freigestellte Arbeitnehmer gäbe, sich im Rahmen der Kündigungsfrist um eine neue Anstellung zu bemühen. Andersherum bestehe für den Arbeitgeber durchaus die Pflicht, Annahmeverzugslohn zu bezahlen, und zwar insbesondere dann, wenn eine Weiterbeschäftigung des Gekündigten zumutbar gewesen wäre.
Fazit: BAG-Urteil stärkt Arbeitnehmerrechte bei Kündigung und Freistellung
Das in diesem Beitrag dargelegte BAG-Urteil verdeutlicht, dass für die Anwendbarkeit des § 615 Satz 2 BGB ein spezifischer Ausnahmefall vorliegen muss. In den allermeisten Fällen ist das Anrechnen fiktiver Löhne auf den Annahmeverzugslohn nicht mit geltendem Recht vereinbar. Mit diesem Urteilsspruch und seiner eindeutigen Begründung sorgt das BAG für Klarheit und stärkt die Rechte gekündigter Arbeitnehmer.
Sie haben Fragen rund um Kündigungen, Freistellungen, den Annahmeverzugslohn und ähnliche Themen aus dem großen Gebiet des Arbeitsrechts? Dann wenden Sie sich an unsere Fachanwälte – wir von KGH unterstützen Sie gerne!
Oliver Stigler
Zuständige Anwälte in diesem Fachgebiet:
Anwältin für Arbeitsrecht
Letzte Beiträge:
Arbeitsvertrag bleibt aus / Arbeitsvertrag bleibt aus: welche Ansprüche Arbeitnehmer nach dem Nachweisgesetz haben Hierzulande ist es nicht zwingend notwendig, einen schriftlichen …
Bundesarbeitsgericht: Mindesturlaub / Bundesarbeitsgericht: Mindesturlaub bleibt auch bei Vereinbarungen unangetastet Die genauen Vereinbarungen zum Urlaubsanspruch in Arbeitsverhältnissen können von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag …
Rechtssicherheit im Verein / Rechtssicherheit im Verein: Warum eine klare Satzung für Compliance und Haftungsvermeidung entscheidend ist Der Begriff „Compliance“ bezieht sich …
Betreuungsunterhalt verstehen und durchsetzen / § 1570 BGB einfach erklärt: Anspruch auf Betreuungsunterhalt verstehen und durchsetzen Kommt es zur Scheidung einer Ehe, …