Trotz Krankheit gekündigt

Trotz Krankheit gekündigt: Wann Vermieter-Eigenbedarf rechtlich Vorrang hat
Die Suche nach Wohnraum zur Miete gestaltet sich hierzulande teils alles andere als einfach- das gilt insbesondere für Menschen, deren Wohnung aufgrund von Pflegebedürftigkeit chronischer Erkrankungen oder anderweitigen familiären Belastungssituationen bestimmte Merkmale aufweisen muss. Nicht umsonst gibt es Gesetze, die es Vermietern erschweren, derart eingeschränkten Menschen zu kündigen. Doch was, wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet, weil er oder Angehörige selbst erkrankt sind? Mit dieser Frage hat sich das Amtsgericht Brandenburg jüngst auseinandergesetzt.
Wesentliche Fakten: Zusammenfassung
Dieser Artikel enthält unter anderem die folgenden Informationen:
- Das Amtsgericht Brandenburg verhandelte den Fall einer chronisch erkrankten Mieterin, die einer Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund von Eigenbedarf widersprechen wollte. Der Vermieter begründete die Eigenbedarfskündigung damit, dass seine ebenfalls schwer erkrankte Schwester den Wohnraum dringend benötige.
- Das Gericht sah bei Mieterin und Vermieter das Vorliegen eines Härtefalls, wog die Interessen beider Parteien gegeneinander ab und kam zu dem Schluss, dass in diesem Fall das Anliegen des Vermieters Vorrang hat. Somit wurde die Kündigung gerichtlich bestätigt.
- Um richtig auf den Erhalt einer Wohnungskündigung aufgrund von Vermieter-Eigenbedarf zu reagieren, sollten sich Mieter stets zunächst mit ihrem Anwalt beraten. Außerdem gilt es, die Widerspruchsfristen zu berücksichtigen, vor Gericht nutzbare Nachweise (z.B. ärztliche Atteste) zu sammeln und die Wohnungssuche feinsäuberlich zu dokumentieren.
Aktueller Fall: Eigenbedarf bei Krankheit auf Mieter- und Vermieterseite
Das Amtsgericht Brandenburg urteilte im März 2025 zum Fall einer chronisch erkrankten Mieterin, die seit rund zehn Jahren gemeinsam mit ihrer Tochter eine Wohnung in der ersten Etage eines Mehrparteienhauses bewohnte. Im Einzelnen litt die Mieterin unter einer mit stetigen Schmerzen einhergehenden Trigeminusneuralgie, Depressionen, Arthrose und Krankheiten der Lunge.
Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen erhielt sie einen GdB (Grad der Behinderung) von 50 und die ärztliche Empfehlung, einen Umzug zu vermeiden. Der Hauptgrund: Die Ärztin der Frau betrachtete das Erhaltenbleiben der gewohnten Wohnumgebung inklusive der daran geknüpften sozialen Beziehungen als elementar wichtig für deren psychische Gesundheit.
Der Vermieter entschied sich trotz dieser Umstände dazu, das Mietverhältnis unter Anmeldung von Eigenbedarf zu kündigen. Er gab an, dass die Wohnung künftig von seiner Schwester und deren beiden Kindern bewohnt werden solle. Die Schwester war an Corona erkrankt gewesen, hatte zeitweise im künstlichen Koma gelegen und war nachhaltig so schwer von der Infektion geschädigt, dass sie nicht länger in ihrer aktuellen Wohnung (fünfte Etage ohne Aufzug) bleiben konnte.
Die Mieterin legte Widerspruch gegen die Eigenbedarfskündigung ein und begründete diesen unter anderem mit ihrem eigenen schlechten Gesundheitszustand und der Schwierigkeit der Wohnungssuche. Zwei Aspekte, die der Wohnungskündigung aus ihrer Sicht eine für sie unzumutbare Härte verliehen.
Urteil: Amtsgericht Brandenburg bestätigt Eigenbedarfskündigung
Der Fall wurde vor dem Amtsgericht Brandenburg verhandelt, welches im März 2025 schließlich ein Urteil fällte. Das Gericht bestätigte die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung und wies den Widerspruch der Mieterin folglich zurück.
Um zu diesem Urteil zu finden, stellte das Gericht die Interessen beider Parteien gegenüber. Es erkannte zwar die schwierige Situation und gesundheitliche Belastung der gekündigten Mieterin an, stufte diese jedoch nicht als schwerwiegender ein als den Gesundheitszustand der Schwester des Vermieters. Das Vorliegen eines Härtefalls nach § 574 BGB sah es sowohl bei der Mieterin als auch beim Vermieter gegeben.
Nach Ansicht des Amtsgerichts musste letztlich dem Eigenbedarfsanliegen des Vermieters nachgekommen werden, zumal dieser grundsätzlich das Recht genieße, selbst zu entscheiden, wie seine Immobilie genutzt wird.
Krankheit und Eigenbedarf: Bedeutung des Urteils für Mieter und Vermieter
Vermieter können aus dieser aktuellen Rechtsprechung für sich schöpfen, dass sich nicht nur Mieter, sondern auch sie selbst im Mietverhältnis auf einen Härtefall berufen können. Mietern vermittelt das Urteil hingegen die Dringlichkeit des Vorlegens stichhaltiger Nachweise und schlüssiger Argumentationen, wenn sie Eigenbedarfskündigungen gerichtlich abwenden möchten. Denn: Vor Gericht werden im Zweifel die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen, was alleine anhand der vorliegenden, nachweisbar wahrheitsgemäßen Härtefallbegründungen geschieht.
Tipps: Richtiges Verhalten bei Kündigung wegen Vermieter-Eigenbedarf
Abschließend möchten wir Mietern vier kurze Handlungstipps für den Fall einer Kündigung wegen Eigenbedarf an die Hand geben:
#1: Anwalt konsultieren
Konfrontiert mit einer Eigenbedarfskündigung verfallen viele Mieter in Panik und laufen Gefahr, spontan in einer Art und Weise zu reagieren, die ihnen langfristig nachteilig ausgelegt werden kann. Deshalb gilt: Kontaktieren Sie Ihren Anwalt, bevor Sie weitere Schritte unternehmen. Dieser berät Sie professionell und steht Ihnen in einer womöglich folgenden Gerichtsverhandlung zur Seite.
#2: Widerspruchsfristen berücksichtigen
Wer Widerspruch gegen den Vermieter-Eigenbedarf einlegen möchte, muss dies spätestens bis zwei Monate vor Auslaufen der Kündigungsfrist und in Schriftform tun.
#3: Nachweise sammeln
Es empfiehlt sich, unverzüglich mit dem Sammeln relevanter Dokumente und Nachweise, die einen Härtefall untermauern können, zu beginnen. Das können zum Beispiel ärztliche Atteste, Pflegegutachten, psychologische Einschätzungen und Schulbescheinigungen im Haushalt lebender Kinder sein.
#4: Suche nach Wohnraum schriftlich festhalten
Parallel sollten Sie sich um das Finden einer neuen Wohnung bemühen und die hierzu ergriffenen Maßnahmen – von angefragten Angeboten über Besichtigungstermine bis hin zu erhaltenen Absagen – schriftlich mit Datum dokumentieren.
Fazit: Vermieter-Eigenbedarf trotz erkranktem Mieter rechtens
Wie das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg aus dem ersten Quartal 2025 betont, kann ein nachweisbarer Härtefall seitens des Vermieters eine Eigenbedarfskündigung auch dann rechtfertigen, wenn der Mieter ebenfalls eine Härtefallsituation belegen kann. Gerichte entscheiden hier individuell und wägen im Einzelfall ab, wessen Interessen schwerer wiegen.
Übrigens: Bei Fragen und Anliegen rund um das Mietrecht bieten Ihnen die Fachanwälte von KGH eine kompetente Beratung und Betreuung – nehmen Sie Kontakt auf!

Oliver Stigler
Zuständige Anwälte in diesem Fachgebiet:

Fachanwalt für Mietrecht
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