KGH Anwaltskanzlei

Schwerbehinderung am Arbeitsplatz

29. Oktober 2024

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Schwerbehinderung am Arbeitsplatz

Muss der Arbeitgeber über eine Schwerbehinderung informiert werden?

Menschen mit einer Schwerbehinderung geraten im Alltag häufig in Situationen, in denen sich der Umgang mit ihrer Behinderung schwierig gestalten kann und sich ihnen komplexe Fragen stellen. Eine solche Situation ist die Bewerbung auf eine Arbeitsstelle. Muss die Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben erwähnt werden? Muss man die Wahrheit sagen, wenn der Arbeitgeber konkret danach fragt? Und was ist sinnvoller: das Verschweigen oder das Offenlegen der Behinderung? Diesen wichtigen Fragen gehen wir im Folgenden auf den Grund.

Wesentliche Fakten: Zusammenfassung

Dieser Beitrag führt unter anderem diese Punkte genauer aus:

  • Laut AGG dürfen Arbeitgeber nicht nach Schwerbehinderungen fragen, unter Umständen aber sicherstellen, dass der Bewerber in der Lage dazu ist, die arbeitsvertraglich festgehaltenen Leistungen zu erbringen. Andersherum muss der schwerbehinderte Bewerber etwaige widerrechtliche Nachfragen nicht wahrheitsgemäß beantworten.
  • Stellt der schwerbehinderte Arbeitnehmer fest, dass seine Beeinträchtigung der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten im Wege steht, greift die Offenbarungspflicht. Sprich: Nun muss der Arbeitgeber informiert werden.
  • Behält der Arbeitnehmer die Schwerbehinderung für sich, entfallen selbstredend etwaige Nachteilsausgleiche, weshalb es je nach Gegebenheiten sinnvoll sein kann, die Schwerbehinderung offenzulegen.

AGG: Darf der Arbeitgeber nach Schwerbehinderungen fragen?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) legt ganz klar fest, dass Menschen nicht aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden dürfen. Dieses Diskriminierungsverbot erstreckt sich selbstverständlich auch auf den Bereich der Arbeitsstätte. Schwerbehinderte Personen sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, in Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgesprächen auf ihre Beeinträchtigung hinzuweisen.

Andersherum darf der Arbeitgeber nicht gezielt nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung fragen. Leider halten sich längst nicht alle Arbeitgeber daran. Deshalb müssen betroffene Bewerber unbedingt wissen, dass sie auf eine solche Frage nicht wahrheitsgemäß antworten müssen. Sie haben in diesem Fall das Recht darauf, zu lügen, wobei diese Lüge den Arbeitsvertrag in keiner Weise anfechtbar macht.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Sind bestimmte geistige Fähigkeiten oder körperliche Kompetenzen eine unabdingbare Voraussetzung für den Job, auf den sich der Schwerbehinderte bewirbt, darf sich der Arbeitgeber danach erkundigen, ob der Bewerber in der Lage dazu ist, die im Arbeitsvertrag festgehaltenen Pflichten zu erfüllen.

Offenbarungspflicht: Wann die Schwerbehinderung mitgeteilt werden muss

Wie geschildert, gibt es keine generelle Pflicht, die dem Arbeitnehmer vorschreiben würde, seinen (potenziellen) Arbeitgeber über die Schwerbehinderung zu informieren. Stattdessen entscheidet der Arbeitnehmer vollständig frei darüber, ob und wann er diese Information preisgeben möchte. Das gilt zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer darauf aufmerksam wird, dass er aufgrund seiner Behinderung nicht dazu fähig ist, die arbeitsvertraglich geforderten Leistungen vollumfänglich zu erbringen. Sobald der Arbeitnehmer erkennt, dass genau das der Fall ist, greift die Offenbarungspflicht und er muss den Arbeitgeber davon in Kenntnis setzen.

Verschweigen der Schwerbehinderung als Nachteil

Die Überlegung, eine Schwerbehinderung im Bewerbungsprozess oder im Rahmen eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses anzugeben, ist für viele behinderte Arbeitnehmer mit großen Unsicherheiten und vielen Ängsten verbunden. Sie haben Sorge, dass sie vorverurteilt und kategorisch ausgeschlossen werden könnten. Dies würde zwar dem AGG gänzlich widersprechen, in der Praxis gibt es jedoch immer wieder Arbeitgeber und Kollegen, die wenig sensibel mit der Thematik umgehen. Die Gefahr, dass das Offenbaren der Schwerbehinderung wie auch immer geartete negative Auswirkungen auf den Betroffenen haben kann, ist also durchaus real.

Auf der anderen Seite können dem Arbeitnehmer aber auch Nachteile daraus entstehen, die Schwerbehinderung nicht offenzulegen. So kann es für Beschäftigte im öffentlichen Dienst beispielsweise vorteilhaft sein, offen mit der Schwerbehinderung umzugehen, ist doch bekannt, dass der Staat danach strebt, mehr Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Außerdem fällt im Falle des Verschweigens der Schwerbehinderung ein etwaiger Nachteilsausgleich, zum Beispiel in Form zusätzlicher Urlaubstage oder notwendiger Anpassungen des Arbeitsplatzes, weg. Schließlich kann sich der Arbeitgeber nicht auf eine Situation einstellen, von der er keine Kenntnis hat. Vor diesem Hintergrund sollte die Idee, die Schwerbehinderung offenzulegen, nicht vorschnell ad acta gelegt werden.

Fazit: Individueller Umgang mit der Schwerbehinderung

In Bezug auf den Umgang mit einer Schwerbehinderung auf Jobsuche und am Arbeitsplatz ist es nicht möglich, pauschale Ratschläge auszusprechen. Vielmehr müssen die Vor- und Nachteile im individuellen Fall jeweils sorgfältig abgewogen werden. Werden schwerbehinderte Bewerber und Arbeitnehmer in Zusammenhang mit ihrer Behinderung in einer Art behandelt, die einer Verletzung des AGG entspricht, haben sie stets die Möglichkeit, sich rechtlich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Fachanwälte der Kanzlei KGH stehen ihnen dabei mit geballter Expertise zur Seite.

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Oliver Stigler

Fachanwalt für Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz, ist ein Anwalt bei KGH in Nürnberg. Auf dem Blog von kgh.de teilt er sein umfangreiches Fachwissen und bietet wertvolle Einblicke in rechtliche Themen. Vertrauen Sie auf seine Expertise und lassen Sie sich von seinen Beiträgen inspirieren.

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