Haftungsfragen bei Überholunfällen

Haftungsfragen bei Überholunfällen: Eine juristische Untersuchung
Überholunfälle sind Unfälle, die sich ereignen, während sich mindestens einer der beteiligten Verkehrsteilnehmer im Überholvorgang befindet. Gerade beim Überholen von Rechtsabbiegern kommt es gehäuft zu Unfällen, die Haftungsfragen aufwerfen. In diesem Artikel erläutern wir am Beispiel eines Falles, der vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein verhandelt wurde, welche Aspekte die Haftungsverteilung bei Überholunfällen beeinflussen können.
Fallbeispiel: OLG Schleswig-Holstein beleuchtet Überholmanöver
Am Unfall im angesprochenen Fall waren zwei Autofahrer beteiligt. Fahrer A blinkte rechts, um in die Einfahrt zu seinem Grundstück einzubiegen, Fahrer B, der zuvor hinter Fahrer A gefahren war, setzte derweil zum Überholen an. Dabei rechnete Fahrer B nicht damit, dass Fahrer A zum Abbiegen nach links ausschwenken würde, bevor er – wie vom Blinker angekündigt – nach rechts drehen würde. Das Ergebnis war ein Zusammenprall beider Fahrzeuge.
Im Nachgang entschied sich Fahrer B – also der Überholende – dafür, zu klagen. Seiner Auffassung nach habe er ausreichend Seitenabstand zu Fahrer A gehalten und den Überholvorgang in angemessenem Tempo begonnen. Fahrer A sagte hingegen aus, der Kläger sei deutlich zu schnell unterwegs gewesen und mit viel zu geringem Abstand vorbeigefahren. Die Aufgabe des Gerichtes war es nun, zu entscheiden, welcher der beiden Fahrer die Schuld für den Überholunfall trug.
Verkehrswidrige Verhaltensweisen im vorliegenden Fall
Das OLG vertrat die Ansicht, beide Fahrer hätten in diesem Fall nicht im Einklang mit der geltenden Verkehrsverordnung gehandelt. Fahrer A habe sich nicht so eingeordnet, wie § 9 Absatz 1 und Absatz 5 StVO es beim Abbiegen vorschrieben. Fahrer B habe sein Überholmanöver, wie sich aus der Beweislage ergab, nicht durch Blinken angezeigt, bei unklarer Verkehrslage überholt und sich dabei rücksichtslos und gefährlich verhalten. Sowohl der Beklagte als auch der Kläger haben laut OLG Schleswig-Holstein also gegen geltende Verkehrsregeln verstoßen.
Urteil: 60/40-Haftungsverteilung bei Überholunfall
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass dem Kläger, der im besprochenen Fall der Überholende war, 60 % der Haftung zuzuschreiben sei. Zu diesem Ergebnis kam das OLG mitunter aufgrund der gefährlichen Fahrweise von Fahrer B und deshalb, weil der Überholvorgang überhaupt nicht nötig gewesen wäre, wenn er einige Sekunden abgewartet hätte, bis Fahrer A abgebogen und die Straße somit frei gewesen wäre. Dennoch: Auch Fahrer A hatte sich nicht korrekt verhalten. Sein Ausschwenken nach links vor dem Abbiegen nach rechts hatte ebenfalls zum Unfall beigetragen, weshalb das OLG immerhin 40 % der Haftung bei ihm sah.
Fazit: Haftungsfragen bei Überholunfällen klären
Nicht selten gestalten sich Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen und insbesondere bei Überholunfällen recht komplex. Für die Beteiligten ist oft nicht einzuschätzen, inwiefern sie und die Gegenpartei den Unfall jeweils verschuldet oder begünstigt haben. Deshalb ergibt es Sinn, sich nach einem Unfall zügig einen fachkundigen Anwalt an die Seite zu holen. Die KGH Fachanwälte für Verkehrsrecht stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung und freuen sich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Oliver Stigler
Zuständige Anwälte in diesem Fachgebiet:

Anwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht
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