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Bewerbung von schwerbehinderten Arbeitnehmern

17. Februar 2023

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Mann im Rollstuhl

Bewerbung von schwerbehinderten Arbeitnehmern – das müssen Arbeitgeber beachten

Das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren geht für Arbeitgeber grundsätzlich mit einer Reihe von Pflichten und Vorgaben einher. Das gilt umso mehr, wenn sich ein schwerbehinderter Mensch bewirbt. Dann kommen spezielle rechtliche Regelungen hinzu, über die Arbeitgeber unbedingt informiert sein sollten.

Pflicht zur Unterrichtung über die Bewerbung eines Schwerbehinderten

Geht aus einer Bewerbung hervor, dass es sich um einen schwerbehinderten Bewerber handelt, besteht automatisch die sogenannte Pflicht zur Unterrichtung. Zumindest dann, wenn es im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung und/oder einen Betriebsrat gibt. Diese beiden Stellen müssen umgehend – also direkt nach Bewerbungseingang – davon in Kenntnis gesetzt werden. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach und lehnt den Bewerber ab, steht eine Diskriminierungsvermutung im Raum, die einen Schadensersatzanspruch des Bewerbers nach sich ziehen kann.

Müssen Bewerber mit Schwerbehinderung zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden?

Viele Arbeitgeber stellen sich die Frage, ob sie dazu verpflichtet sind, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Hier unterscheidet sich die Rechtslage danach, ob es sich um einen privaten Arbeitgeber oder einen öffentlichen Träger handelt. Private Arbeitgeber dürfen sich, nachdem sie ihrer Plicht zur Unterrichtung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung nachgekommen sind, frei dagegen entscheiden, schwerbehinderten Bewerbern ein Vorstellungsgespräch anzubieten. Für sie gibt es also keine Pflicht, diesen die Chance, sich persönlich vorzustellen, zu geben.

Anders ist das bei öffentlichen Arbeitgebern. Diese haben laut geltendem Recht eine Vorbildfunktion inne und müssen Schwerbehinderten, die sich bei ihnen bewerben, ein Vorstellungsgespräch anbieten. Davon ausgenommen sind Bewerber, die sich aus fachlicher Sicht offensichtlich nicht für die zu besetzende Stelle eignen. Ist der Bewerbung also ein fachliches Defizit, das den Bewerber als Kandidaten für den Job objektiv ausschließt, zu entnehmen, darf auch bei einem schwerbehinderten Bewerber auf ein Vorstellungsgespräch verzichtet werden.

Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch ein, kann dies zunächst Anlass für eine Diskriminierungsvermutung sein. Sprich: Es wird gegebenenfalls in Frage gestellt, ob der Bewerber tatsächlich aufgrund fachlicher Defizite oder nicht doch wegen seiner Schwerbehinderung abgelehnt wurde. Liegen stichhaltige Begründungen auf fachlicher Ebene vor, kann der Arbeitgeber diese Vermutungen jedoch rasch widerlegen und etwaige Klagen auf Schadensersatz entsprechend erfolgreich abwehren.

Fragerecht: Wann das Fragen nach der Schwerbehinderung gestattet ist

Es kommt immer wieder vor, dass sich Arbeitgeber unsicher sind, ob und inwiefern sie die Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch ansprechen dürfen. Natürlich ist es nicht erlaubt, Bewerber nach bestehenden Behinderungen zu fragen, wenn in den Bewerbungsunterlagen keine solchen benannt wurden. Hat der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs also keine Kenntnis von einer vorliegenden Schwerbehinderung, ist es ihm verboten, danach zu fragen.

Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn es sich bei der zu besetzenden Stelle um einen Job handelt, der nur mit speziellen geistigen und körperlichen Fähigkeiten ausgeübt werden kann. Der Arbeitgeber hat dann verständlicherweise ein gesteigertes Interesse daran, sicherzustellen, dass der Bewerber die gefragten Fähigkeiten uneingeschränkt mitbringt. Er darf zwar auch in diesem Fall nicht gezielt nach einer Behinderung fragen, sich aber danach erkundigen, ob Beeinträchtigungen vorliegen, die dazu führen, dass der Bewerber die geforderten Arbeiten nicht (vollumfänglich) leisten kann.

Etwas anders gestaltet sich die Angelegenheit, wenn der Bewerber seine Schwerbehinderung im Rahmen seiner Bewerbung bereits offengelegt hat. Dann darf die Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch teilnehmen und die Schwerbehinderung innerhalb bestimmter Grenzen ansprechen.

Schwerbehinderte Bewerber ablehnen: Welche Besonderheiten sind zu berücksichtigen?

Wie sich von selbst versteht ist es gesetzeswidrig, einen Bewerber ausschließlich aufgrund seiner Schwerbehinderung abzulehnen. Dies wäre ein klarer Fall von Diskriminierung im Bewerbungsprozess und würde somit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, verstoßen. Kein Bewerber darf aufgrund einer Behinderung anders behandelt werden als ein Mitbewerber, der keine Behinderung hat.

Dennoch ist natürlich kein Arbeitgeber dazu verpflichtet, jeden schwerbehinderten Menschen, der sich bei ihm bewirbt, einzustellen. Genau wie alle Bewerber können auch Schwerbehinderte aus sachlichen Gründen abgelehnt werden. Die Ablehnung muss dem Bewerber sowie – falls vorhanden – dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach der Entscheidung mitgeteilt werden.

Um als Arbeitgeber nicht zu riskieren, sich bei der Ablehnung der Bewerbung eines Schwerbehinderten rechtlich angreifbar zu machen, sollte die Formulierung des Ablehnungsbescheids rechtssicher ausfallen. Das bedeutet in diesem Fall, dass sie keinerlei Verdacht darauf erwecken sollte, der Bewerber könnte womöglich aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht eingestellt worden sein. Ansonsten bestünde seitens des Bewerbers auch an dieser Stelle gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz.

Fazit: Gesetzliche Vorgaben bei Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen beachten

Damit Arbeitgeber beim Umgang mit der Bewerbung Schwerbehinderter auf der sicheren Seite sind, sollten sie sich unbedingt umfassend mit der Rechtslage auseinandersetzen. Nur wer weiß, welche Vorgaben einzuhalten und welche Verfahren zu durchlaufen sind, kann den Bewerbungsprozess rechtskonform gestalten. Für Arbeitgeber ist das vor allem deshalb wichtig, weil schwerbehinderte Bewerber bei Verstößen durchaus die Möglichkeit haben, rechtliche Schritte einzuleiten. Das Resultat sind oftmals Schadensersatzzahlungen, die beträchtliche Höhen annehmen können. Aus diesem Grund empfiehlt es sich für Arbeitgeber, sich eingehend mit der Thematik zu befassen und bei Bedarf professionellen Rat bei Fachanwälten zu suchen. So können sie das Bewerbungsverfahren mit schwerbehinderten Bewerbern sicher und vor allem rechtssicher handhaben. Wir von KGH helfen Ihnen gerne dabei!

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Oliver Stigler

Fachanwalt für Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz, ist ein Anwalt bei KGH in Nürnberg. Auf dem Blog von kgh.de teilt er sein umfangreiches Fachwissen und bietet wertvolle Einblicke in rechtliche Themen. Vertrauen Sie auf seine Expertise und lassen Sie sich von seinen Beiträgen inspirieren.

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