EuGH – Urlaubsansprüche verjähren nicht
EuGH - Urlaubsansprüche verjähren nicht ohne
Hinweis des Arbeitgebers
Im deutschen Arbeitsrecht ist das Recht auf Urlaub eindeutig festgelegt. Pro Jahr stehen Arbeitnehmern bezogen auf eine 6-Tage-Woche 24 Urlaubstage zu. Nach europarechtlichen Sozialstandards ist ebenso der Anspruch auf Erholungsurlaub konkret verankert. Grundsätzlich unterliegen nach deutschem Recht (§ 195 BGB) sämtliche Ansprüche; sprich das Recht darauf, von einer anderen Partei ein Tun oder Unterlassen zu fordern, einer Verjährungsfrist, die drei Jahre beträgt. Zu diesen Ansprüchen gehören somit auch Urlaubsansprüche. Durch Verjährungsfristen soll sichergestellt werden, dass nach Ablauf eines festgelegten Zeitraums Rechtsfrieden besteht. Nach Ablauf dieser Frist können die Ansprüche zwar noch bestehen, sind dann allerdings nicht mehr rechtlich durchzusetzen. Die Regelung erfolgt auf der Grundlage, dass sich Parteien sicher sein können, dass zum Beispiel Jahrzehnte nach der ursprünglichen Feststellung einer Forderung diese nicht plötzlich geltend gemacht werden kann.
Das klingt vielleicht zunächst nach einem Nachteil für denjenigen, der den Anspruch stellt, ist jedoch auf den zweiten Blick durchaus nachvollziehbar. Zusätzlich zu dieser regelmäßigen Verjährungsfrist gibt es in Einzelfällen längere Zeiträume, sodass Anspruchsteller in der Regel ausreichend Zeit haben, um ihren Anspruch geltend zu machen. So soll sichergestellt werden, dass die Interessen aller beteiligten Parteien berücksichtigt werden.
Bei Urlaubsansprüchen ist zudem vorrangig § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz zu beachten. Hiernach muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung auf das Folgejahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.
Im Fall von Urlaubsansprüchen kann es schon mal vorkommen, dass sich Urlaubstage mehr oder weniger unbemerkt anhäufen – man kennt das. Wenn es in Unternehmen das ganze Jahr über hoch hergeht und es all hands on deck heißt, kann es schon mal vorkommen, dass Urlaub, der den Arbeitnehmern eigentlich zusteht, dann nicht genommen und ins Folgejahr übertragen wird. Wenn dieser Urlaubs-Rückstand wächst, akkumulieren sich die ausstehenden Urlaubstage manchmal zu sehr, um rechtzeitig abgebaut zu werden.
Urlaubsanspruch trotz Krankheit
Gerade in Zeiten wie diesen ist die Frage nach Urlaubsansprüchen bei Krankheitsausfällen umso wichtiger – und sehr berechtigt. Der Luxemburger Gerichtshof hatte kürzlich über einige Fälle zu entscheiden, bei denen es darum ging, dass Arbeitnehmer vorübergehend nicht arbeitsfähig waren. Diese Arbeitnehmer haben einen Urlaubsanspruch für die Zeit geltend gemacht, in der sie arbeitsunfähig waren. Nach deutscher Rechtsprechung ist dieses Vorgehen sowohl möglich als auch anerkannt. Hierbei ging es um die Frage, ob der Urlaub, der nicht in Anspruch genommen wurde, auch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt das ganze Jahr ausfällt. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt dieser spätestens am 31.03. des Folgejahres. Daran ändert der EuGH zwar im Grunde nichts, kommt mit seiner Entscheidung aber durchaus den Arbeitnehmern entgegen. Die Regelung über die 15 Monate bleibt prinzipiell gleich, allerdings muss der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Urlaubsanspruch zum einen besteht und zum anderen erlischt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht beansprucht. Das heißt, die wirkliche Neuerung besteht in der Informationspflicht des Arbeitgebers.
Arbeitgeber befürchten eine Klagewelle
Die Entscheidung des EuGH stößt zwar nicht bei allen deutschen ArbeitsrechtlerInnen auf Gegenliebe, aber sogar Kritiker des Urteils gehen nicht davon aus, dass Arbeitgeber mit einer Klagewelle rechnen müssen. Die Rechtslage hat sich zwar nicht dramatisch geändert, dennoch sollten die Formalitäten genauestens dokumentiert werden, um im Fall eines Rechtsstreits abgesichert zu sein. Die Hinweispflicht von Arbeitgeber an Arbeitnehmer hat dahingehend Priorität, dass der Urlaubsanspruch besteht und verfallen kann. Wenn dem nicht Folge geleistet wird, läuft weder die Frist für die Verjährung an, noch verfällt der Anspruch. Zur Vorbeugung reicht es hier bereits, eine simple Mail an die betreffenden – nicht an alle – Beschäftigten zu schicken, wie viele Urlaubstage noch zur Verfügung stehen und wann diese verfallen. Dazu müssen die Arbeitnehmer auch ausdrücklich aufgefordert werden, die ausstehenden Urlaubstage tatsächlich zu beanspruchen. Der Betrieb muss außerdem sicherstellen, dass die Urlaubstage tatsächlich genommen werden können.
Mit dem Urteil unterstreicht der EuGH die Wichtigkeit des Sozialrechts, das in der Europäischen Union gültig ist. Die Verjährung in der deutschen Regelung sei nicht mit dem Unionsrecht vereinbar insofern, als dass Einschränkungen beim Recht auf Erholungsurlaub im Grunde nicht vorgesehen sind.
Daher ist es umso wichtiger, dass Arbeitgeber penibel darauf achten, Mitarbeiter auf bestehenden Urlaubsanspruch sowie das Verfallsdatum hinzuweisen. Andernfalls drohen, besonders wenn es sich um langjährige und viel arbeitende Mitarbeiter handelt, im Falle einer Kündigung beträchtliche Urlaubsabgeltungen.
Für Arbeitnehmer ist das eine gute Neuigkeit, insbesondere im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens. Trotzdem sind die Ansprüche der Arbeitnehmer diesbezüglich keine Selbstläufer, da es weiterführende Fragen gibt, mit denen sich die Arbeitsgerichtsbarkeit im Detail auseinandersetzen muss. Zum Beispiel, ob sich Arbeitgeber der Rechtsprechung des EuGH zum Trotz auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen berufen können oder welche der Parteien beweisen muss, dass (keine) Hinweise auf drohende Urlaubsverjährung vorliegen.
Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer bietet es sich möglicherweise an, mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht zusammenzuarbeiten, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.
Zuständige Anwälte in diesem Fachgebiet:
Armin Goßler
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Sibylle Sklebitz
Anwältin für Arbeitsrecht
KGH
KGH ist Ihre Anwaltskanzlei in Nürnberg. Wir bieten Ihnen Fachanwälte für verschiedene Rechtsgebiete.
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