Entscheidung zum Digitalen Nachlass ergangen!

19. Juli 2018

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Beim Streit um die Vererbbarkeit des Benutzerkontos Sozialer Netzwerke hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch den Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk (Facebook) übernehmen und einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich aller darin enthaltenen Kommunikationsinhalte (Nachrichten, Bilder usw.) erhalten (BGH-Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17).

Ausgangslage: 

Im Falle des Todes gehen in der Regel die Rechtsansprüche und bestehende Verträge im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über.

Bislang rechtlich noch nicht geklärt war diese Frage bei Kommunikationsplattformen und sozialen Netzwerken. Die Besonderheit liegt hierin, dass es sich nicht nur um Verträge zum Benutzerkonto handelt, die durch den Erbfall aktiv fortgesetzt werden, sondern auch um passive Leserechte an den Inhalten. Die vorausgegangene Berufungsinstanz hatte hier die Auffassung vertreten, dass es sich hinsichtlich der Leserechte um eine höchstpersönliche Position handelt ohne vermögensrechtliche Auswirkungen und damit ein Erbrecht ausgeschlossen.

Im konkreten Fall klagte die Mutter gegen Facebook als Erbin ihrer mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen bei einem U-Bahn-Unglück verstorbenen Tochter.

Die Mutter hatte versucht sich in das Benutzerkonto der Tochter einzuloggen um Aufschluss darüber zu bekommen, ob die Tochter über das soziale Netzwerke vor ihrem Tod Suizidabsichten geäußert habe und um gegebenenfalls Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.

Facebook hatte das Konto in den sogenannten Gedenkzustand versetzt, so dass der Mutter auch ein Zugang mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich war. Die Inhalte des Kontos blieben bestehen. Das Berufungsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das Fernmeldegeheimnis sich auch auf E-Mails beziehen würde und deswegen die Auffassung vertreten, dass auch all diejenigen, die in einem Zweipersonenverhältnis mit der verstorbenen Tochter kommuniziert haben bei einer Offenlegung geschützt werden müssen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat klar festgestellt, dass im Wege der Gesamtrechtsnachfolge der Nutzungsvertrag zwischen der Tochter und Facebook auf die Mutter als Erbin übergegangen ist und damit von Facebook sowohl der Zugang zum Benutzerkonto als auch zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten eingeräumt werden muss.

Dies kann auch nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen werden. Dabei hat der Bundesgerichtshof auch festgestellt, dass die Klauseln von Facebook zum Gedenkzustand im vorliegenden Fall nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, sie im Übrigen jedoch auch einer Inhaltskontrolle nicht standhalten und unwirksam sind. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargestellt, dass die Benutzerkonten in Netzwerken vom Wesen des Vertrages keinen höchstpersönlichen Charakter haben, der einer Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses entgegensteht, sodass hier auch kein Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner vorliegt.

Insofern differenziert der Bundesgerichtshof nicht nach Vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten und verweist darauf, dass auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten wie Tagebücher und Briefe vererbt werden können. Dies ist auch nicht aufgrund eines postmortalen Persönlichkeitsrechtes der verstorbenen Tochter auszuschließen. Im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis – an dem noch das Berufungsgericht die Klage hat scheitern lassen, hat der BGH festgestellt, dass der Erbe nicht „anderer“ im Sinne des Gesetzes ist.

Der Bundesgerichtshof hat auch Datenschutz geprüft. Die seit dem 25.05.2018 geltende Datenschutzgrundverordnung ( DSGVO ) dem Zugang der Erben nicht entgegensteht und datenschutzrechtliche Belange nicht betroffen sind.

Tipp:

Wir empfehlen, dass unabhängig von dieser Entscheidung zum digitalen Nachlass im Rahmen der ansonsten notwendigen Vorsorgeregelungen wie Vorsorgevollmachten/ Patientenverfügungen/ Betreuungsverfügungen und eines Testamentes auch eine konkrete Regelung zum digitalen Nachlass getroffen werden sollte.

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