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Vermieter bestimmt die Angemessenheit seines Wohnbedarfs

2. April 2015

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Es gibt keine generellen Grenzen für die Beurteilung der Angemessenheit des Eigenbedarfs.

Ausgangslage:

Der Vermieter kündigt häufig wegen Eigenbedarfs. Der Eigenbedarf wird damit begründet, dass die Kinder des Vermieters einziehen wollen. Bei der Beurteilung der Berechtigung der Eigenbedarfskündigung spielt häufig die Frage eine Rolle, ob der Wohnraum für das Kind des Vermieters angemessen ist oder nicht.

Im zu entscheidenden Fall hatte der Vermieter eine Vierzimmerwohnung mit 125 bis 136 qm gekündigt. Begründet wurde die Eigenbedarfskündigung damit, dass der 22-jährige Sohn nur ein Zimmer im Elternhaus zur Verfügung hat und sein Studium beginnen will, wofür er die Wohnung benötigt. Auch wollte er mit einem langjährigen Freund eine Wohngemeinschaft gründen. Der Mieter akzeptierte die Kündigung nicht.

Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage stattgegeben und das Landgericht hatte die Räumungsklage abgewiesen. Es war der Auffassung, dass der Eigenbedarf rechtsmissbräuchlich sei. Ein alleinstehender 22-Jähriger habe keinen Wohnbedarf von 125 qm. Auch die Absicht, eine Wohngemeinschaft zu gründen sei nicht schützenswert, da ein Dritter nicht zum geschützten Personenkreis der Eigenbedarfskündigung gehöre.

Entscheidung des BGH:

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 04.03.2015 (Az.: VIII ZR 166/14) entschieden, dass der Räumungsanspruch des Vermieters berechtigt ist.

Die Fachgerichte haben den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den – enggezogenen – Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen. Ebenso haben sie grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht. Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle des Vermieters zu setzen.

Ob der Eigenbedarfswunsch missbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann, darf das Gericht überprüfen.

Bei der Prüfung, ob mit dem Erlangungswunsch ein weit überhöhter und damit rechtsmissbräuchlicher Wohnbedarf geltend gemacht wird, haben die Gerichte die Entscheidung des Vermieters über den für sich und seine Angehörigen angemessenen Wohnbedarf grundsätzlich zu achten, ihre Wertung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen.

Pauschale oder formelhafte Wendungen, wie etwa Wohnungen einer bestimmten Größenordnung seien generell für eine bestimmte Personenzahl „ausreichend“, erfüllen diese Anforderungen nicht.

Dem genügt die Entscheidung des Landgerichts nicht.

Der Wunsch, mit einem Freund in einer Wohngemeinschaft zu leben, ist in der pluralistisch und liberal geprägten Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ebenso anerkennenswert wie der Entschluss, eine Lebensgemeinschaft zu bilden. Bei einer Wohngemeinschaft handelt es sich um eine in der heutigen Gesellschaft häufiger anzutreffende und vor allem unter Studenten weit verbreitete Lebensform. Für eine Differenzierung zu anderen Lebensformen besteht kein sachlicher Grund.

Oliver Stigler

Oliver Stigler

Fachanwalt für Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz, ist ein Anwalt bei KGH in Nürnberg. Auf dem Blog von kgh.de teilt er sein umfangreiches Fachwissen und bietet wertvolle Einblicke in rechtliche Themen. Vertrauen Sie auf seine Expertise und lassen Sie sich von seinen Beiträgen inspirieren.

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