Ausstieg aus teuren Immobilienkrediten wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung

9. Februar 2015

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Dem Kunden steht weiterhin ein Widerrufsrecht zu.

1) Ausgangslage

Bankkunden, die bei dem aktuellen Zinsniveau einen älteren Kreditvertrag mit deutlich höheren Zinsen haben oder generell das Darlehen ablösen wollen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen, können sich möglicherweise viele tausend Euro sparen. 

Die Rechtsprechung hat nämlich in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Fällen entschieden, dass die Widerrufsbelehrungen in Darlehensverträgen auch über Immobilienkredite fehlerhaft sind, weil sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Dies gilt grundsätzlich für alle Darlehensverträge, die ab dem November 2002 abgeschlossen wurden, da ab diesem Zeitpunkt gem. § 495 BGB die Belehrungspflicht auch für Immobilienkredite gilt, welche mit einem Grundpfandrecht abgesichert sind.

2) Beispielsgruppen falscher Belehrungen

Um einige Beispiele zu nennen, kann man die vielen, von der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fehler in den Widerrufsbelehrungen in zwei Gruppen einteilen.

Die erste Gruppe betrifft unzutreffende Belehrungen über den Beginn der Widerrufsfrist (a).

Die zweite Gruppe betrifft unzutreffende Belehrungen über die Widerrufsfolgen (b).

a) Unzutreffende Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist

Die Anforderungen der Rechtsprechung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben bestehen hier einfach zusammengefasst darin, dass der Kunde anhand der Belehrung konkret ermitteln können muss, wann die Widerrufsfrist tatsächlich zu laufen beginnt.

Das ist z. B. in den Fällen verneint worden, in denen die Belehrung darin bestand, dass die Frist „frühestens mit dem Erhalt der Belehrung beginnt“, weil hier nur gesagt ist, bis wann die Frist nicht begonnen hat (siehe Urteil des BGH vom 09.12.2009, VIII ZR 219/08).

Das gleiche gilt für eine Belehrung mit dem Inhalt, dass der Lauf der Frist erst dann beginnt, wenn der Bank die unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist, da der Kunde dies nicht wissen kann (siehe Urteil des BGH vom 24.03.2009, Az. XI ZR 456/07).

Ferner wurden Belehrungen mit dem Inhalt gerügt, dass die Frist dann beginnt, wenn die Belehrung und eine Vertragsurkunde sowie der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift des Darlehensantrags zur Verfügung gestellt wurden.

Dies hat die Rechtsprechung deswegen gerügt, weil daraus der Eindruck entsteht, dass die Frist bereits mit der Übermittlung des Vertragsantrages der Bank, der die Belehrung enthält, unabhängig von der Annahme des Angebots beginnt (siehe Urteil des BGH vom 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08).

b) Fehler bei der Belehrung über die Widerrufsfolgen

Hinsichtlich Fehlern bei der Belehrung über die Widerrufsfolgen können die  Anforderungen so zusammengefasst werden, dass dem Kunden ein vollständiges und widerspruchsfreies Bild über die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Falle eines Widerrufs gegeben werden muss.

Als Beispiele sind dabei solche Formulierungen aufzuführen, wo der Kunde ausschließlich über seine Pflichten im Falle des Widerrufs, jedoch nicht auch über seine Rechte informiert wird (siehe Urteil des BGH vom 12.04.2007, Az. VII ZR 122/06).

Ferner zählen hierzu die Fälle, bei denen dem Kunden zwei unterschiedlich formulierte Belehrungen ausgehändigt werden, da dies gegen das Deutlichkeitsgebot verstößt (siehe z. B. Urteil des OLG Hamm vom 24.05.2012, Az. 4 U 48/12).

Neben diesen Beispielen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Fälle von weiteren Belehrungsfehlern. Es sollen insgesamt ca. 80 Prozent aller Widerrufbelehrungen fehlerhaft sein.   

3) Rechtsfolgen und Vorgehen

Die Rechtsfolge fehlender Widerrufsbelehrungen besteht darin, dass dem Kunden sein Widerrufsrecht weiterhin zusteht, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen beginnt.

Soweit der Kunde das Widerrufsrecht ausübt, steht ihm neben dem Recht auf Entlassung aus dem Vertrag auch ein Recht auf Herausgabe dessen zu, was die Bank mit den Ratenzahlungen erwirtschaftet hat.

Das bedeutet, dass einerseits Vorfälligkeitsentschädigungen nicht gezahlt werden müssen oder ggf. auch zurückgefordert werden können.

Andererseits kann eine Abwicklung des widerrufenen Darlehensvertrages auf der Grundlage marktüblicher Zinsen über die Laufzeit gerechnet verlangt werden.

Ferner hat die Bank die bis Widerruf geleisteten Zinszahlungen zu erstatten und herauszugeben, was sie mit diesem Geld erwirtschaftet hat.

Oft steht dabei als Alternative im Raum, den Vertrag zu derzeit marktüblichen Zinsen fortzusetzen.

In jedem Fall ist eine Prüfung durch einen in diesem Bereich erfahrenen Anwalt zu empfehlen.

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