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Rückwirkender Eintritt der Sozialversicherungspflicht bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen

4. Mai 2016

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Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen regelmäßig der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung, es sei denn, sie sind nur geringfügig beschäftigt. Eine geringfügige Beschäftigung liegt beispielsweise vor, wenn das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig im Monat € 450,00 nicht übersteigt.

Bei mehreren Minijobs werden die vereinbarten Entgelte zusammengerechnet. Die Geringfügigkeit endet, wenn die regelmäßigen Arbeitsentgelte aus den Beschäftigungen zusammen die Grenze von € 450,00 überschreiten.

Sozialversicherungspflicht bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen 

Der Wegfall der Geringfügigkeit aufgrund einer Zusammenrechnung hat jedoch grundsätzlich nicht den sofortigen Eintritt der Versicherungspflicht zur Folge. Wird beim Zusammenrechnen festgestellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag ein, an dem die Entscheidung über die Versicherungspflicht durch die Einzugsstelle bekannt gegeben wird. Die Versicherungspflicht wird somit erst mit Wirkung für die Zukunft begründet. Diese Regelung über den nur zukünftigen Eintritt der Versicherungspflicht gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären.

Das Urteil

In einem vom Landessozialgericht Baden-Württemberg am 22.01.2016 entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer zunächst als Hausmeister geringfügig beschäftigt. Er hat dann bei einem neuen Arbeitgeber ebenfalls einen Minijob begonnen. Bei diesem zweiten Arbeitgeber versicherte der Arbeitnehmer, dass er künftig jede Veränderung sowohl seiner Verdienstsituation als auch seiner arbeitszeitlichen Inanspruchnahme bei anderen Arbeitgebern sofort mitteilen werde. Er gab an, durch den ersten Minijob ein monatliches Einkommen in Höhe von etwa € 200,00 zu erzielen. Der zweite Arbeitgeber weitete im Mai 2011 das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer aus, sodass dieser monatlich zwischen € 310,00 und € 399,00 verdiente. Im Juli 2012 stellte die Einzugsstelle den rückwirkenden Eintritt der Versicherungspflicht wegen grober Fahrlässigkeit des Arbeitgebers fest und verlangte von diesem auch rückwirkend ab Mai 2011 die Versicherungsbeiträge.

Urteil bestätigt 

Das Landessozialgericht hat die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidung bestätigt. Das regelmäßige Arbeitsentgelt habe sich im Mai 2011 durch eine Aufstockung der Arbeitsleistung maßgeblich erhöht. Eine solche Änderung der arbeitsvertraglichen Umstände mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsentgelt erfordere eine neue vorausschauende Beurteilung und Schätzung des regelmäßigen Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber. Habe der Arbeitnehmer angegeben, noch anderweitig beschäftigt zu sein, obliege es dem Arbeitgeber, durch weitere Nachfragen zumindest diejenigen Informationen zu erhalten, die ihn befähigen, über die Frage der Versicherungsfreiheit zu entscheiden. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Diese Voraussetzung erfüllt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Vorliegend sei die weitere geringfügige Beschäftigung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber bekannt gewesen. Das bisher aus der Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt sollte aufgrund der Ausweitung der Arbeitstätigkeit erheblich steigen, und zwar in einem Umfang, dass bei Berücksichtigung des bisher bekannten Arbeitsentgelts aus der weiteren Beschäftigung die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze deutlich überschritten würde. Unter diesen Umständen sei es eine einfache und naheliegende Überlegung, dass die bisherige Beurteilung der Geringfügigkeit überprüft und dafür die Höhe des weiteren Arbeitsentgelts erfragt werden müsse.

Tipp

Um rückwirkende Nachforderungen seitens der Einzugsstelle zu vermeiden, sollte durch den Arbeitgeber bei einer Ausweitung des Minijobs eine neue Beurteilung des regelmäßigen Arbeitsentgelts vorgenommen werden. Hierfür sind Ermittlungen beim Arbeitnehmer durchzuführen und zu dokumentieren. Der Arbeitnehmer ist zur Mitwirkung verpflichtet. Als Anreiz für den Arbeitnehmer, Änderungen des Entgelts aus weiteren Beschäftigungen anzuzeigen, kann eine Schadensersatzpflicht für den Fall aufgenommen werden, dass durch Mehrfachbeschäftigungen Beitragsnachzahlungen seitens des Arbeitgebers geleistet werden müssten. Hierzu beraten wir Sie gerne.

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Oliver Stigler

Fachanwalt für Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz, ist ein Anwalt bei KGH in Nürnberg. Auf dem Blog von kgh.de teilt er sein umfangreiches Fachwissen und bietet wertvolle Einblicke in rechtliche Themen. Vertrauen Sie auf seine Expertise und lassen Sie sich von seinen Beiträgen inspirieren.

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